Am 18.2. ist Hans-Georg Haeseler gestorben. Ein Nachruf von Pony Nehmert.
Trauer um Hans-Georg Haeseler
Am 18.2. verstarb nach längerer Krankheit der frühere Präsident des DBV, Hans-Georg Haeseler. Er hinterlässt seine Frau, mit der er über 60 Jahre verheiratet war, und drei Töchter in tiefer Trauer. Ihnen gilt unser ganzes Mitgefühl.
Ich lernte Herrn Haeseler Anfang der 1980er Jahre kennen, als es uns beide beruflich nach Wiesbaden verschlug. Als Neuzugänge im Bridgeclub fanden wir schnell zusammen und spielten hier und da ein Turnier. Er konnte wunderbare Geschichten aus längst vergangenen Zeiten erzählen, als die Damen noch Damen waren und die Herren noch Herren, die meisten davon gut betucht und gern auch von Adel.
Ich erinnere mich an eine Geschichte aus den 50er Jahren: Ein Bridgespieler klagt seinem Partner, er könne ein exzellentes Geschäft übernehmen, allein es fehlten ihm die zur Übernahme erforderlichen 10.000 D-Mark (damals echt kein Pappenstiel). Ohne zu Zögern überreicht ihm sein Partner das erforderliche Kleingeld in Form eines Schecks. Eine Woche später trifft man sich zu einer weiteren Bridgepartie, und unser Geldgeber fragt nach dem Ausgang des Geschäfts. „ Das lief etwas unglücklich“, ist die Antwort „auf dem Weg von der Bank zum Geschäft kam ich an der Spielbank vorbei…“ Der Geldgeber zuckt nur nonchalant mit den Schultern, und das war’s.
Wie nobel es in jenen Zeiten in den Clubs zuging, ersieht man daraus, dass ein entrüsteter Artikel im Verbandsblatt (so hieß das Bridge Magazin damals ) den Niedergang der gesellschaftlichen Sitten beklagte. Ein Herr hatte es gewagt, statt im Anzug mit Krawatte im weißen Rollkragenpullover zu einem Turnier zu
erscheinen. O tempora, o mores!!!
Herr Haeseler erlernte das Bridgespiel in seinen Jugendjahren und praktizierte es eifrig während seiner Studienzeit in Göttingen sowie bei einem Auslandsjahr in London. Zu Hause spielte er gern Doppelkopf mit seiner Familie, die zu seinem großen Bedauern kein Interesse an Bridge zeigte. Er selbst brachte es schnell zu beachtlichen Erfolgen: Einer Bronzemedaille bei der offenen deutschen Teammeisterschaft 1961 folgte der Gewinn der Offenen Teammeisterschaft 1963.
Jura studierte er, weil seine Eltern ihn davon überzeugten, dass ein Musikstudium eher brotlose Kunst sei. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass er kein „typischer“ Jurist wurde: Er war stets auf Ausgleich bedacht und erwog bei allen Entscheidungen stets die Argumente von allen Seiten.
Nach Abschluss seines Studiums konzentrierte er sich auf seine berufliche Karriere. Er startete als Jurist bei Siemens in Erlangen, gleichzeitig gründete er eine Familie. Dann wechselte er zur Linde AG in Wiesbaden und war Leiter der Rechtsabteilung, deren rasante Entwicklung ihn bis zu seiner Pensionierung 2002 voll in Anspruch nahm. Während seiner Berufstätigkeit blieb ihm wenig Zeit für Bridge. Aber danach spielte er wieder gern im Club, bis er sich mit seiner Frau in ein Seniorenstift nach Kronberg zurückzog. Dort widmete sich vornehmlich seinen anderen Hobbies. Er war musikalisch sehr interessiert, spielte exzellent Klavier und nach eigener Einschätzung ganz leidlich Bratsche. Er ging gern zu Konzerten und sang bis ins hohe Alter in einem Chor mit.
Als der Bridgeverband 2004 einen Präsidenten suchte, stellt er sich der neuen Aufgabe und leitete den Verband souverän vier Jahre lang. Sein Einsatz war beispielhaft. So fuhr er zu den Mitgliederversammlungen von Vereinen, die den Austritt aus dem DBV auf der Agenda hatten, und überzeugte die Mitglieder davon, doch im DBV zu bleiben. Unter seiner Ägide wurde die damalige Herrenpaarmeisterschaft in ein Offenes Turnier umgewandelt. International gibt es keine Herrenmeisterschaften, und so sollte unseren Damen im Zuge der Gleichberechtigung ein Training gegen die besten Herren auf deutschem Boden ermöglicht werden. Diese fortschrittliche Maßnahme wurde vom nächsten Präsidium allerdings rückgängig gemacht. Nach vier Jahren stellte er sich nicht wieder zur Wahl, was allgemein sehr bedauert wurde. Dem Bridge blieb er als Mitglied des Schiedsgerichtes im Landesbridgeverband Hessen treu. Mit seiner liebenswerten, humorvollen Art blieb Hans-Georg Haeseler bei allen Menschen, die das Glück hatten, ihn kennen zu lernen, in angenehmer Erinnerung.
Einer seiner Studienkollegen aus England machte sich nach seiner Pensionierung die Mühe, seine Adresse zu googeln und besuchte ihn. Ich wurde zu einer Runde Bridge im Hause Haeseler geladen. An einzelne Hände und den Ausgang der Partie kann ich mich nicht erinnern. Wahrscheinlich war ich völlig geblendet, denn der Gast erschien in einer Art Morgenmantel aus blauem Brokat. Kleidungsstücke dieser Art und Güte hatte ich bis dato nur in uralten Edgar-Wallace-Verfilmungen gesehen, getragen von irgendwelchen Lords oder anderweitigen Schlossherren. Ob es sich damals ebenfalls um einen leibhaftigen Lord handelte blieb im Dunkeln, denn selbstverständlich stellte man sich nur mit dem Vornamen vor.
Es würde Herrn Haeseler sicher freuen, wenn man sich mit einer seiner Geschichten von ihm verabschiedet: Zwei Herren fahren endlos lang mit dem Zug. Irgendwann geht ihnen der Gesprächsstoff aus (also sind es wohl keine Bridgespieler) und nach endlos erscheinendem Schweigen fährt der Zug an einer Schafherde vorbei. „Frisch geschoren“, bemerkt der eine. Der andere schaut auch aus dem Fenster und kommentiert lakonisch: „Zumindest auf der
dem Zug zugewandten Seite.“
Hans Georg Haeseler bleibt unvergessen.